Pivoting und Iterating
Im Lean Startup sind Pivoting und Iterating bedeutende Bestandteile. Doch auch bereits langjährig bestehende Unternehmen sollten sich mit diesen Vorgehensweisen beschäftigen.
Stimmt die Strategie noch oder ist ein Kurswechsel nötig?
Ein Pivot ist ein Strategiewechsel. Er wird entwickelt, um eine neue fundamentale Hypothese über das Produkt, das Geschäftsmodell und den Wachstumsmotor des Unternehmens zu testen. Der Kurswechsel kann notwendig werden, um das Potenzial einer Vision voll auszuschöpfen. Er gehört zum Unternehmensalltag oder er sollte es tun.
Irgendwann werden Sie vielleicht feststellen, dass ein Element Ihres Produkts viel mehr Anklang findet, als Sie sich jemals vorgestellt haben. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Strategie anpassen, um diesen Wandel widerzuspiegeln. Damit ein Pivot effektiv ist, muss er auf dem basieren, was Sie von Ihren Nutzern lernen. Denn sonst verfolgen Sie einfach eine „Mal sehen, was passiert“-Strategie. Keine gute Idee.
Es ist wie mit dem Blick in den Spiegel: Das Spiegelbild ist immer da, der Anblick ist meist vertraut und generell erfreulich. Doch manchmal willst du es lieber nicht sehen und bestimmte Tatsachen (an-)erkennen. Bei großen Unternehmen ist es oft Letzteres. Ein regelmäßiges Pivoting kann Abhilfe schaffen.
Hinderungsgründe für Pivoting und Iterating
Es gibt drei Hauptfaktoren, die große Unternehmen daran hindern, sich zu wandeln oder zu iterieren (1).
Damit eine Idee finanziert wird, arbeitet ein Team mit den Projektträgern und Sponsoren zusammen, um einen Plan mit Zielen und Maßnahmen zu erstellen. Ihre Aufgabe ist es, auf dieses gesetzte Ziel hinzuarbeiten, und wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, könnte dies als Scheitern auf ihrem Weg angesehen werden. Es besteht dann die Möglichkeit, dass Ihre Investition nicht mehr die erhoffte Finanzierung erhält und eingestellt wird. Dies liegt einfach daran, dass der Sponsor des Projekts nicht (so sehr) von irgendetwas außerhalb des ursprünglichen Plans profitiert. Sondern einfach nur davon, genau diesen Plan zu erfüllen.
Aber diese sehr zielorientierte Arbeitsweise ist nicht realistisch, denn zu Beginn eines Projekts ist es gar nicht möglich, alle möglichen Maßnahmen zu sehen, die Sie ergreifen können. Manchmal ergeben sich neue Möglichkeiten für Ihr Unternehmen, die besser sind als das, was Sie zuvor hatten, und in einigen Fällen sollten Sie diesen Weg einschlagen.
Die Kommunikation in großen Unternehmen ist deutlich langsamer als in Startups. Das ist der zweite Grund, warum große Unternehmen ein Problem mit Pivoting haben. Das liegt daran, dass in einem Unternehmen teilweise mehr Menschen an einem Projekt beteiligt sind, als es Menschen in einem Startup gibt. Die Menge an Feedback, die das Unternehmen erhält, muss größer sein, damit Änderungen überhaupt wirksam werden.
Wenn es mehr Kommunikationskanäle zwischen Teams gibt, nimmt die Geschwindigkeit ab. Außerdem befinden sich die Teammitglieder oft an verschiedenen Standorten, also geografisch verteilt, was ebenfalls die Geschwindigkeit verringert, mit der ein Projekt ausgeführt werden kann.
Es gibt auch eine lange Reaktionszeit zwischen Teammitgliedern, was frustrierend sein kann, wenn Sie ihren Input benötigen, um Ihr Projekt fortzusetzen. Ein Grund für lange Reaktionszeiten liegt in der Kultur in einem Unternehmen. Manchmal warten Teammitglieder länger als angemessen, um zu antworten, oder entscheiden sich, gar nicht zu reagieren. Diese langsamere Interaktion führt nicht nur zu längeren Produktentwicklungsprozessen, sondern macht auch schnelle Iterationen unmöglich. In einigen Branchen ist die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend.
Der dritte Grund ist, dass Projektförderer in großen Unternehmen weniger bereit sind, Pivoting und Iteration in Projekten zuzulassen als Venture Capitals für Startups. Dies liegt daran, dass Projektförderer ein Projekt finanzieren, wenn sie das Produkt wollen. Sie glauben nicht oder können sich nicht vorstellen, dass das Team etwas noch Wertvolleres finden wird.
Wenn Mitarbeiter in Unternehmen versuchen, Fördermittel für ein Projekt zu erhalten, stellen sie einen Vorschlag zusammen, in dem sie erklären, wie das Projekt bestimmte Ergebnisse erzielen wird und wie viel es kosten würde. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter geschönte Angaben machen, um ihre Chancen auf eine Finanzierung zu verbessern. Scheinbar erhalten sie so mehr Geld, aber bei genauerem Hinsehen führt dies nur zu ungenauen Schätzungen. Da sie auch mit anderen Projekten im Unternehmen um die Finanzierung konkurrieren müssen, geben sie den Geldgebern das, was sie wollen: prognostizierbare Ergebnisse.
Unsicherheit akzeptieren und Pivoting und Iterating als Vorteil erkennen
Im Lean Startup-Ansatz gibt es dagegen mehr Tests, mehr Iterationen und zunächst viel mehr Unsicherheit. Für Geldgeber ist diese Aussicht wenig attraktiv, doch übersehen sie die Vorteile. So stehen große Unternehmen, obwohl sie in vielerlei Hinsicht besser ausgestattet sind als Startups, vor großen Hürden und schaffen nicht wirklich ein gutes und schnelles Umfeld für neue Ideen.
Sich bewusst auf Unsicherheit einzulassen ist förderlicher als mit Sicherheit am sich wandelnden Umfeld zu scheitern.
Hier sehen wir die Vorteile für den Mittelstand, die uns zu unseren Überlegungen führt, was zu tun ist, um Innovationen voranzutreiben.
Gregor Heilmaier ist jemand, der gerne über Dinge nachdenkt. Er ist fasziniert von der Geschwindigkeit der Digitalen Transformation und wie sie sich auf Interaktionen und die Kommunikation auswirkt. Sein eigener persönlichen Ansatz ist, sich unermüdlich weiterzuentwickeln. Daher kann Gregor auch gut mit Unsicherheit gut umgehen.
(1) Masterarbeit Johan Karlsson und Johan Nordström, 2012